Volkswagen Bildungsinstitut GmbH: Chronik

1991 bis 1994

Profilierung

Erste Bildungsleistungen an den Standorten Zwickau, Chemnitz und Dresden

1991 bis 1994

Strategische Maßnahmen

Anfang 1991 wurde mit der Volkswagen AG ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen. Im März 1991 gründete das Institut gemeinsam mit Vertretern des Bildungswesen Barkas einen Arbeitskreis. Die Zusammenarbeit diente der geregelten und schrittweisen Übernahme der Qualifizierungsleistungen am Standort Chemnitz.

Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Arbeit wurde im September 1991 unterstrichen. An der fairen und engen Partnerschaft hatte der damalige Präsident des Landesarbeitsamtes Sachsen, Dr. Alois Streich, einen besonders hohen Anteil.

Das Volkswagen Bildungsinstitut erhielt von der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg eine zweckgebundene Zuwendung für die Errichtung von Qualifizierungszentren in Zwickau und Chemnitz. Der Gesamtaufwand belief sich auf 10,2 Mio. DM, davon waren 9,2 Mio DM (90%) gefördert, 1 Mio. DM umfasste der Eigenanteil. Damit konnte eine Vielzahl notwendiger Ausrüstungen für Werkstätten, Labore und andere Lehrräume beschafft werden.

Im Dezember 1991 erfolgte die Übertragung der Geschäftsanteile der IFA AG in Höhe von 150.000 DM auf die Volkswagen AG. Damit wurde die Volkswagen Bildungsinstitut GmbH eine 100%-ige Tochter der Volkswagen AG.   

Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Die Entwicklung des regionalen Arbeitsmarktes war von tiefgreifenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen beeinflusst.

Durch die Inbetriebnahme weiterer Produktionsanlagen bei Volkswagen Sachsen, in der Lackiererei erfolgte sie 1991, 1992 im Karosseriebau, und einer damit verbundenen Stückzahlerhöhung stieg der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften.   

Bereits 1991 wurde die optimistische Zahl verkündet, dass bei Volkswagen Sachsen einmal 5.000 bis 6.000 Mitarbeiter beschäftigt sein würden. Von Beginn an orientierte Volkswagen darauf, dass eine Vielzahl von Neben- und Dienstleistungen durch externe Zulieferer wahrgenommen werden.

Im März 1991 siedelte sich Johnson Controls Objekt Zwickau GmbH & Co. KG an und begann mit der Fertigung von Komplettsitzgarnituren. Die Firmengruppe Dr. Meleghy übernahm im Mai das Presswerk der Sachsenring GmbH und gründete die Dr. Meleghy Presswerk Zwickau GmbH.

Rückwirkend zum 1. Januar 1991 übernahm im Mai der englische Konzern Guest, Keen, Nettlefolds (GKN) das Gelenkwellenwerk in Mosel.

Neben diesen ausgewählten Erfolgsmeldungen gab es leider auch viele negative Nachrichten, die letztendlich unausweichlich und folgerichtig waren.

Am 30. April 1991 lief der letzte Trabant vom Band. Wenige Monate später endete die mehr als 150-jährige Geschichte der Koksproduktion in Zwickau.

Eine Vielzahl von Unternehmen, insbesondere des Maschinenbaus, der Textilindustrie und des Wohnungsbaus wurden in dieser desolaten Wirtschaftslage abgewickelt. Diese veranlasste den Deutschen Gewerkschaftsbund und die IG Metall am 21. März 1991, gemeinsam eine Großkundgebung durchzuführen, an der sich mehr als 20.000 Metaller Südwestsachsens beteiligten. Sie stand unter dem Motto „Gegen die Kahlschlagpolitik der Treuhandanstalt – für die Sanierung der Betriebe und Schaffung neuer Arbeitsplätze“.

In diesem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Spannungsfeld musste das Bildungsinstitut, dem wachsenden Bedarf angepasst, geeignete arbeitsmarktpolitische Instrumente und zukunftsweisende Ausbildungs- und Qualifizierungsangebote entwickeln.

Zur 1. Westsachsen Gewerbe- und Industrieschau (Westsachsenschau) auf dem Platz der Völkerfreundschaft präsentierte sich erstmals das Volkswagen Bildungsinstitut als Partner in Sachen Qualifizierung.

Eindrücke von der 1. Westsachsen Gewerbe- und Industrieschau (Westsachsenschau) 

Standorte des Volkswagen Bildungsinstituts

Es erwies sich als kompliziert, geeignete Räumlichkeiten für den Lehrbetrieb und die Verwaltung zu finden. Dank der Unterstützung der Städte Zwickau und Chemnitz verfügte das Institut 1991 über 4 Bildungsstätten: angemietete Räumlichkeiten in der Berufsschule der Sachsenring GmbH, das Bildungszentrum - Leipziger Straße, das Bildungszentrum Chemnitz – Kauffahrtei, die Akademie Zwickau, auch als „Zwickauer Ebert-Schlösschen“ bekannt.

Die Berufsschule der Sachsenring GmbH

Weitere Geschäftsräume für die Geschäftsführung, den Verwaltungsbereich und das Bildungsconsulting wurden, dank der Unterstützung der damaligen Rektorin, Frau Prof. Dr. Mehnert, in der ehem. Pädagogischen Hochschule angemietet.

Belegschaft Verwaltung

Im März 1992 begannen gemeinsam mit der Sächsischen Aufbau- und Qualifizierungsgesellschaft gGmbH (SAQ) die Baumaßnahmen für den Aufbau des Bildungszentrums Zwickau (BZZ) an historischem Standort. Hier gründete Horch 1909 die August Horch Automobilwerke GmbH (1910 erfolgte die Umfirmierung zur Audi Automobilwerke GmbH), dem späteren Werk 2 der Sachsenring Automobil GmbH. Die offizielle Eröffnung des neuen BZZ erfolgte am 30.11.1992 durch den damaligen sächsischen Ministerpräsidenten, Prof. Dr. Kurt Biedenkopf.

Links: Bauvorhaben Bildungszentrum Zwickau (BZZ) / Rechts: Prof. Dr. Kurt Biedenkopf bei der Eröffnung des BZZ

Im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung zwischen dem Volkswagen Bildungsinstitut, der Sächsischen Aufbau- und Qualifizierungsgesellschaft und der IG Metall wurde als fachlicher Teil des BZZ das Schweißtechnische Bildungszentrum Zwickau gGmbH (STZ) gegründet. Das Bildungsinstitut hielt 49% der Anteile.

Im Februar 1992 folgte der Beginn umfangreicher Bauarbeiten am Bildungszentrum Chemnitz (Gebäude 100 auf dem sogenannten BARKAS-Südgelände).

1993 wurde der Geschäftsbeschluss gefasst, in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden einen Bildungsstandort der Volkswagen Bildungsinstitut GmbH aufzubauen. Im Mai 1993 öffnete das Bildungszentrum Dresden seine Pforten.

Mitarbeiter des Volkswagen Bildungsinstituts

1992 trat Hans-Dieter Bräuer als pädagogischer Geschäftsführer die Nachfolge von Friedwald Bracht an. In der Startphase waren sechs Fachbereichsleiter für die Berufsausbildung, die Fort- und Weiterbildung sowie für Marketing/Vertrieb zuständig.

Schnell erhöhte sich die Mitarbeiterzahl, 1992 waren 49 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen fest angestellt, 1993 wuchs die Zahl auf 57. 1994 allerdings reduzierte sich die Zahl auf 42. Zusätzlich kamen Honorartrainer zum Einsatz.

Zu den ersten eingestellten Mitarbeitern gehörten ehemalige Führungskräfte, Ausbilder, Lehrer und Verwaltungsmitarbeiter des IFA-Kombinats, insbesondere der Kombinats-Akademie, der Berufsschule sowie Berufsausbildung der Sachsenring Automobilbau GmbH und der Barkas GmbH, Lehrkräfte der Technischen Hochschule und Pädagogischen Hochschule Zwickaus sowie aus allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen der Region.   

Belegschaft 1991

Erste Bildungsleistungen

Der Aus- und Weiterbildung vorgeschaltete Maßnahmen waren:

  • die Entwicklung und Durchführung von Analysen zum Fachkräfte- und
  • Qualifizierungsbedarf
  • die Entwicklung von Qualifizierungskonzepten
  • die Bildungsberatung
  • das Bildungsmarketing
  • das Bildungscontrolling zur Planung von Investitionen und der finanziellen Bewertung der Bildungsleistungen.

Zu den Schwerpunkten der Bildungsaktivitäten gehörten die technische Fortbildung, die Weiterbildung, das Managementtraining/die Sprachausbildung sowie die Berufsausbildung. 

Technische Fortbildung

Dem regionalen Arbeitsmarkt wurden insbesondere Fortbildungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Automatisierungstechnik angeboten. Teilnehmer aus Metall- und Elektroberufen konnten sich in den Disziplinen

  • Elektrotechnik/Elektronik
  • Pneumatik
  • Hydraulik
  • Speicherprogrammierbare Steuerungstechnik

fortbilden. Die meist modular aufgebauten Lehrgänge befähigten die Teilnehmer, komplexe automatisierte Maschinensysteme zu betreuen, an der Instandhaltung mitzuwirken und Störungen zu beseitigen.

Für Volkswagen Mitarbeiter des „Rohbau A3“ wurde ein erstes umfangreiches Qualifizierungsprogramm konzipiert und umgesetzt, ebenso ein Basis-Qualifizierungsprogramm für Fertigungs- und Montagewerker.

Weiterbildung

Das Leistungsangebot umfasste in den ersten Monaten ausschließlich die Durchführung von Lehrgängen zur beruflichen Neuorientierung.
Die Mitarbeiterinnen des Fachbereiches Weiterbildung zeigten sich besonders engagiert, wenn es um die Einarbeitung in neue Lehr- und Aufgabengebiete ging.

Frau Hendel mit Teilnehmerinnen der beruflichen Neuorientierung

Regina Hendel, ehemalige Mitarbeiterin und Trainerin, erinnert sich an die Anfänge:

„Die Maßnahmen zur beruflichen Neuorientierung wurden nach der Wende notwendig, um den Menschen der ehemaligen DDR die gesellschaftlichen und rechtlichen Grundlagen zu vermitteln. Die ersten Kurse wurden von Mitarbeitern der Volkswagen AG konzipiert und realisiert, Schritt für Schritt übernahmen sächsische Kollegen diese Aufgaben.

Die Teilnehmer waren ausnahmslos Menschen, die von plötzlicher Arbeitslosigkeit betroffen waren, also eine „neue Orientierung“ benötigten. In der Regel waren ca. 30 Teilnehmer, die vom Arbeitsamt zu der 6-wöchigen Qualifizierung geschickt wurden, in einer Maßnahme.

Das Programm umfasste folgende Inhalte:
Ausgehend von einigen Artikeln des Grundgesetzes wurden die Rechte und Pflichten von Arbeitssuchenden, die finanziellen Bezüge sowie die Aufgaben des Arbeitsamts sehr ausführlich behandelt.

Der Schwerpunkt lag auf der beruflichen Neuorientierung, dem Bewerbungstraining. Wir analysierten Stellenanzeigen und erstellten aussagekräftige Bewerbungsmappen inkl. Anschreiben und Lebenslauf. Die zu erwartenden Vorstellungsgespräche wurden mit den Teilnehmern intensiv simuliert. Praktische Szenarien erfolgten unter Einbezug der Videokamera, deren Auswertungen für alle Teilnehmer sehr aufregend waren. Abschließend erhielten die Lehrgangsteilnehmer umfangreiche Informationen zum Arbeitsrecht und Arbeitsvertrag.

Das Feedback der Teilnehmer war durchweg positiv, viele dankten und suchten noch jahrelang unseren Rat. Freundschaften entstanden. Rückblickend war es eine sehr interessante, vielschichtige und schnelle, dennoch tolle Zeit.“

Die Zeit nach den Neuorientierungslehrgängen verlangte eine fachliche Anpassung und eigene Qualifizierung. So erschloss sich Regina Hendel die Lehrgebiete „Deutsch als Fremdsprache“, Korrespondenz und Rhetorik.

Autodidaktisch und durch den Besuch externer Lehrgänge qualifizierte sich Astrid Engel, Mitarbeiterin im Volkswagen Bildungsinstitut, für die Gebiete Kommunikation und Präsentation. Dr. Helga Schmidt, ebenfalls langjährige Mitarbeiterin des Instituts, spezialisierte sich in den Themen Arbeitsrecht, Vertragsrecht und Marketing.

Kein einfacher, aber ein erfolgreicher Weg!

Im Jahr 1992 wurde „Deutsch als Fremdsprache“ fester Bestandteil des Qualifizierungsprogramms im Fachbereich Weiterbildung.

In Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt, der Stadtverwaltung Zwickau sowie den Aussiedlerheimen in Zwickau, wenige Jahre später auch in Oelsnitz, wurden sechsmonatige Deutschlehrgänge konzipiert, in denen sog. Spätaussiedler aus der ehemaligen UdSSR ein sprachliches Qualifizierungsangebot erhielten. Jährlich absolvierten etwa 80 Teilnehmer den Lehrgang „Deutsch als Fremdsprache“, der mit einer Prüfung und einem Zertifikat abschloss. Durch die integrierte sozialpädagogische Betreuung entstand zwischen Lehrkräften und Lehrgangsteilnehmern ein besonders enges, vertrauensvolles Verhältnis, das auch nach sechsmonatigem eifrigem Lernen oftmals fortbestand.

Auch im kaufmännischen und betriebswirtschaftlichen Bereich wurden erste Maßnahmen entwickelt. Als Arbeitsamtsmaßnahmen wurden:

  • Fachkraft für Logistik
  • Umschulung zum/zur Fachinformatiker/-in
  • Fachkraft für Qualitätssicherung
  • Brückenprogramm für junge Ingenieure – anwendungsorientierte BWL für Hoch- und Fachschulabsolventen
  • Anpassungsqualifizierung für Wirtschaftsingenieure (in Kooperation mit der Westsächsischen Hochschule Zwickau)
  • Ingenieur-Fachkraft für Marketing und Verkauf technischer Produkte.

angeboten.

Managementtraining

Standardseminare ebenso Spezialseminare mit maßgeschneiderten Konzepten fanden für Führungs- und Führungsnachwuchskräfte von Volkswagen in Sachsen, dem Volkswagen Vertriebszentrum Chemnitz und anderen regionalen Unternehmen statt.

Das Themenangebot reichte von

  • Verhandlungstechnik
  • Entscheidungstraining
  • Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht
  • Interviewtraining
  • Rhetorik
  • Planspiel „Unternehmensstrategie in der Marktwirtschaft“

bis zum Spezialseminar „Kooperatives Führen“.

Fremdsprachen

Bereits 1991 erfolgte der Aufbau des Fachgebietes Sprachen durch Kerstin Weißmann. Erste Sprachtrainings für Unternehmen fanden seit September 1991 statt. Zu den Lehrgangsinhalten gehörten auch interkulturelle Informationen, vor allem über England, USA und Kanada. Die sprachliche Qualifizierung erfolgte als Einzeltraining, in Kleingruppen- oder Gruppentrainings. Von Beginn an waren die Sprachtrainings auf eine starke Kundenkenntnis und -orientierung ausgerichtet. Entsprechend hoch war die Akzeptanz regionale Unternehmen, später auch ausländischer Firmen.

Sprachtraining mit Kerstin Weißmann

Berufsausbildung

1991 stimmten die Volkswagen Sachsen GmbH, die Sächsische Automobilbau GmbH und die Volkswagen Bildungsinstitut GmbH ihre Strategie zur künftigen Berufsausbildung ab. Man verständigte sich, jährlich 60 Jugendliche für den Standort Zwickau einzustellen und in den Berufen Industriemechaniker/-in und Industrieelektroniker/-in auszubilden. Im ersten Jahr gelang es, 46 junge Menschen für die Erstausbildung zu gewinnen. Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit in der Metall- und Elektrobranche und der damit verbundenen Existenzangst sank die Attraktivität der Berufe auf einen Tiefpunkt.
Zu diesem Zeitpunkt verfügte das Bildungsinstitut noch nicht über eigene Berufsausbildungskapazitäten, so dass die praktische Ausbildung über einen Kooperationsvertrag von der Sächsischen Aufbau- und Qualifizierungsgesellschaft realisiert wurde. In den Folgejahren erhöhte sich die Zahl der Ausbildungsplätze bei Volkswagen in Sachsen kontinuierlich. 1992 wurden 81 und 1993 109 Ausbildungsverträge geschlossen.

1. Ausbildungsgruppe Volkswagen Sachsen

Der Standort Chemnitz

Die Einbeziehung des Standorts Chemnitz in die Geschäftstätigkeit des neue gegründeten Volkswagen Bildungsinstituts galt von Beginn an als unstrittig. Die neue Gesellschaft setzte sich das Ziel, die Personal- und Qualifizierungsarbeit für das Motorenwerk Chemnitz der Volkswagen Sachsen GmbH zu unterstützen, aber ebenso auf dem freien, regionalen Arbeitsmarkt wirksam zu werden.
Erste vom Arbeitsamt vergebene Qualifizierungsmaßnahmen fanden in verschiedenen angemieteten Lehrräumen statt. Für die notwendigen Lehrkräfte und Ausbilder gab es kurzfristige Honorarverträge. Für die damalige Geschäftsführung entstand ein hoher administrativer Aufwand.
Die Suche nach einem geeigneten Bildungszentrum und die Absicherung der Schulungsleistungen durch qualifiziertes Personal führten zu Arbeitskontakten mit BARKAS.

Wolfgang Thürasch (ehm. Standortleiter Chemnitz) erinnert sich:

„Im Zuge der politischen Veränderungen in der ehemaligen DDR im Spätsommer 1990 entschied sich auch das Schicksal der betrieblichen berufsbildenden Einrichtungen, so auch der Betriebsschule des VEB BARKAS-Werke Karl-Marx-Stadt (heutigem Chemnitz). Diese plante in den letzten Vor-Wendejahren ein neues Schulgebäude, welches zum 01.09.1990 in Betrieb genommen wurde. Das IFA-Kombinat verfolgte damit ehrgeizige Ziele, die jedoch schnell von der politischen und gesellschaftlichen Realität eingeholt wurden.
Diese strukturellen Veränderungen erfassten natürlich auch das dort beschäftigte Personal - immerhin 90 Mitarbeiter. Für einen nicht geringen Teil griffen Vorruhestandsregelungen, die Mitarbeiter der Abteilung Theoretische Berufsausbildung wurden der Stadt bzw. Schulamt unterstellt.

Keine Lösungen gab es zunächst für die verbliebenen Beschäftigten der Praktischen Berufsausbildung, der Erwachsenenbildung und unterstützender Bereiche. Die Bemühungen der Leitung und der Beschäftigten der Abteilung Bildungswesen, möglichst rasch einen starken Partner zu finden, mit dem oder unter dessen Dach ein Weiterleben gegeben sein könnte, trafen zu diesem Zeitpunkt auf die ersten orientierenden Schritte der Vertreter von Volkswagen, die die Gründung der Volkswagen Bildungsinstitut GmbH vorbereiteten.

Meine Kollegen und ich hatten sehr große Hoffnung und Erwartungen in das Engagement von Volkswagen. Andererseits stieg die Unsicherheit faktisch mit jedem Tag, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter drängten auf eine Klärung ihrer Beschäftigungsperspektiven.

Im Bereich der Aus- und Weiterbildung gründeten sich in den ersten Wendejahren viele private Bildungsträger, die an einer Übernahme attraktiver betrieblicher Ausbildungsstätten interessiert waren. Kritisch sahen wir daher die Aktivitäten der Ruhrkohle Berufsbildungsgesellschaft (RBG), die an einer Übernahme der Abteilung Bildungswesen der Barkas GmbH großes Interesse zeigte. Der Vorstoß der RBG, sich per Geschäftsbesorgungsvertrag des Konkurrenten Volkswagen Bildungsinstitut zu entledigen, konnte im Sommer 1993 quasi in letzter Minute erfolgreich abgewendet werden. Das Volkswagen Bildungsinstitut legte dem Liquidator der BARKAS GmbH i. L. ebenfalls einen Geschäftsbesorgungsvertrag vor, der am Ende größeres Gewicht besaß.“

Das Bildungsinstitut suchte nach eigenen Wegen, sich auf Dauer in Chemnitz niederzulassen. Es erhielt dabei Unterstützung durch die Stadt Chemnitz, das Arbeitsamt Chemnitz, die IHK Chemnitz und andere Institutionen.

Mit Unterzeichnung des Geschäftsbesorgungsvertrages zwischen der BARKAS GmbH i.L. und der Volkswagen Bildungsinstitut GmbH übernahm das Institut

  • die praktische Berufsausbildung von 35 Auszubildenden der Motorenwerke Chemnitz GmbH und anderer regionaler Unternehmen sowie die Verantwortung für die vertragsgetreue Abwicklung der bestehenden BARKAS-Berufsausbildungsverträge,
  • die Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsplätze durch die Motorenwerke Chemnitz GmbH,
  • die inhaltliche Orientierung der Ausbildung an der technologischen und fertigungsorganisatorischen Entwicklung des Motorenwerkes,
  • Beschäftigte des Bildungswesens der Barkas GmbH i. L. in perspektivisch unbefristete Arbeitsverhältnisse.

Die damit verbundene Nutzung der Räumlichkeiten und Ausstattungen der Barkas GmbH i.L. war bis Juni 1994 gesichert.

Ausbildung Chemnitz: Räume Barkas GmbH i.L.

„Obgleich all das eine Übergangslösung darstellte, wurde ein wesentlicher Grundstein für das Wirken des Volkswagen Bildungsinstituts in Chemnitz gelegt. In der Folgezeit ging es darum, den Standort auszugestalten und zu entwickeln, um mit qualitativ hochwertigen Leistungen auf dem Gebiet der Berufsausbildung, aber vor allem auch in der Fort- und Weiterbildung aufwarten zu können. Die Liquidation der BARKAS GmbH beeinflusste das Handeln der Geschäftsführung des VWBI nicht unwesentlich. Um in Chemnitz Bildungsleistungen anbieten zu können, benötigte das VWBI außer geeignetem Lehrpersonal natürlich Räume und Ausstattungen.“

Wolfgang Thürasch

Angesichts verschiedener politischer und gesellschaftlicher Restriktionen bemühte sich das Volkswagen Bildungsinstitut um eine strategische Standortlösung und konzentrierte sich auf die Anmietung des Gebäudes 100 auf dem sogenannten Südgelände der BARKAS GmbH.

Mit der Mietvertragsunterzeichnung im Dezember 1992 stimmte die BARKAS GmbH i.L. den geplanten Umbaumaßnahmen des Volkswagen Bildungsinstituts zu. In mehreren Bauetappen erfolgte der Umbau des zweiten Obergeschosses; das Erd- und das erste Obergeschoss folgten. Es entstanden Unterrichtsräume für verschiedene technische Bereiche (EDV, Pneumatik, Hydraulik, Elektrotechnik/Elektronik, Speicherprogrammierbare Steuerungen und CNC-Technik), Theorieräume und Büros für Lehrkräfte und sonstige Mitarbeiter.

Seit April 1993 konnten somit Teile der praktischen Berufsausbildung im Gebäude 100 realisiert werden. Sicherheit in der Auslastung gab es zusätzlich durch die vom Arbeitsamt Chemnitz geförderten Anpassungsqualifizierungen. Im Herbst 1992 erfolgte der Start für sieben Lehrgänge mit 95 Teilnehmern in den fachlichen Schwerpunkten Automatisierungspraxis, Fertigungs- und Montagetechnik, CNC-Praxis und Metallbau.

Das Bildungszentrum Chemnitz übernahm ergänzend im Auftrag der IHK Module der Ausbildung „Geprüfter Industriemeister, Fachrichtung Metall“ und begann mit der Qualifizierung von Mitarbeitern der Motorenwerke Chemnitz, u.a. mit Fachlehrgängen „Industrielle Automatisierungstechnik“. Das Bildungsangebot entwickelte sich kontinuierlich auf hohem Niveau.

Der Erwerb der neuen Technik und Ausstattungen löste eine weitere große Umzugsaktion aus. Die Werkleitung des Motorenwerkes Chemnitz von Volkswagen Sachsen stellte auf dem Werksgelände dem Bildungsinstitut eine 700 m² große Hallenfläche für den Aufbau der Ausbildungswerkstatt zur Verfügung. Trotz der von nun an räumlichen Trennung der beiden Ausbildungsbereiche überwogen die Vorteile. Im Ergebnis verbesserten sich die Effektivität und Qualität von Berufsausbildung und Weiterbildung am Standort Chemnitz spürbar.

Der Standort Dresden

Der Beschluss, auch in Dresden ein Bildungszentrum zu betreiben, wurde Ende 1992 in die Tat umgesetzt. Der Bedarf an qualifizierten Schulungen nahm zu.

Dr. Helga Schmidt erinnert sich:

„Einerseits stieg mit Schließung vieler Industriebetriebe die Zahl der Arbeitssuchenden in Dresden, andererseits entwickelten sich neue mittelständische Unternehmen, die gut ausgebildetes Personal vor allem auf den Gebieten Informationstechnik, Elektrotechnik/Elektronik und Automatisierungstechnik dringend benötigten. Diese Kompetenzen hatten in vielen Unternehmen Einzug gehalten. „Schwarze Schafe“ unter den Bildungsanbietern, die das schnelle Geld suchten, waren auch in Dresden keine Seltenheit. Der Bildungsmarkt war ein heiß umkämpfter, so zog ein seriöser Name wie „Volkswagen“ Schulungsinteressenten, die Agentur für Arbeit, die Bundeswehr und sich entwickelnde junge Unternehmen an. Volkswagen Sachsen hatte sich mittlerweile zum größten Arbeitgeber in Sachsen entwickelt. So war es eine logische Konsequenz, dass die Geschäftsführung auch in Dresden eine offensive Entwicklung betrieb.“

Mit Dr. Gabriele Neugebauer, die in der Dohnaer Straße ein eigenes Bildungsinstitut betrieb, wurde eine Kooperationsvereinbarung geschlossen. Die Qualifizierung fand in angemieteten Räumlichkeiten statt. In Personalunion leitete Dr. Neugebauer auch den organisatorischen Geschäftsbetrieb des Volkswagen Bildungsinstituts. Sie war für den reibungslosen Ablauf der Bildungsmaßnahmen und die Betreuung der Lehrgangsteilnehmer verantwortlich. Alle anderen Aktivitäten wurden von Zwickau gesteuert. Dazu gehörten Marketingaktivitäten, die konzeptionelle Entwicklung der Qualifizierungsmaßnahmen, die Absprachen mit dem Arbeitsamt und anderen Partnern, die Gewinnung der Lehrgangsteilnehmer und die Lehrgangsplanung einschließlich des Dozenteneinsatzes bis hin zur Zertifikatsvergabe.
Es waren vorrangig Schulungen auf technischem Gebiet, die im Auftrag des Arbeitsamtes durchgeführt wurden, z. B. die zwölfmonatige Anpassungsqualifizierung „Fachkraft Automatisierungssysteme Metall“ und „Fachkraft Automatisierungssysteme Elektro“.

Kooperation mit Dr. Gabriele Neugebauer / Gemeinsame Messeteilnahme

Die Wettbewerbssituation

Der Weiterbildungsmarkt der neuen Bundesländer stieß, mit dem Jahr 1990 beginnend, auf großes Gründerinteresse. Bald sprach man vom „Wilden Osten“. Extrem groß und kaum überschaubar war die Zahl der Bildungsanbieter, die sich auf den Markt stürzten und auf ein besonders profitables Geschäft hofften. Bildungsanbieter aus den alten Bundesländern wurden vorübergehend sesshaft, kaum bzw. nur mit geringen Erfahrungen im Bildungsbereich ausgestattet. Studenten selbst niedriger Semester kamen in der Hoffnung, aus ihren Vorlesungsmitschriften Kapital zu schlagen. Arbeitssuchende Lehrer und andere Akademiker sahen große Chancen für ihren beruflichen Neuanfang. Es entstand eine Situation, die fast nicht beherrschbar schien.

So gab es im Raum Zwickau in den Jahren 1990/1991 ca. 240 Bildungsanbieter. Viele Anbieter agierten mit wettbewerbsverzerrenden Methoden. Bei Maßnahmenvergaben gab oftmals der niedrige Preis den Ausschlag statt die Qualität der Maßnahme und des Anbieters. Das Volkswagen Bildungsinstitut verwahrte sich konsequent gegen diesen unlauteren Wettbewerb. Von Beginn an stand die Qualität und Kundenzufriedenheit im Fokus der Geschäftstätigkeit. Um dieses Chaos zu beenden, begann das Landesarbeitsamt Chemnitz damit, die Qualitätsstandards der Bildungsanbieter umfassend zu prüfen. Das Volkswagen Bildungsinstitut stellte sich dieser Kontrolle. Es gehörte zu den ersten Bildungsdienstleistern, die mit ihrem bedarfsorientierten und qualitativ hochwertigen Ausbildungsinhalten als Maßstab für die Vergabe von Qualifizierungsleistungen dienten.

In Anerkennung seiner Leistungen und Verdienste bei der Umsetzung der Volkswagen Initiative im Bildungsbereich wurde Prof. Peter Meyer-Dohm 1992 vom damaligen
Bildungsminister Prof. Dr. Rainer Ortlepp zum Vorsitzenden des Kuratoriums der Arbeitsgemeinschaft Qualifikations-Entwicklungs-Management berufen. Ihm oblag es, den Wandlungsprozess im Bildungsbereich wissenschaftlich zu begleiten. Damit fanden seine Verdienste und Leistungen um die Neugestaltung der Bildungslandschaft in den neuen Bundesländern eine hohe Anerkennung.

Daraus erwuchs vor allem für die Beschäftigten des Volkswagen Bildungsinstituts ein hoher Anspruch.

Ein Resümee / Mitarbeiter erinnern sich

Die Entwicklung des Volkswagen Bildungsinstituts erfuhr seit seiner Gründung eine kontinuierliche Entwicklung. 1991 wurden etwa 400 Teilnehmer/-innen in ca. 30 thematisch unterschiedlichen Lehrgängen oder Seminaren im Umfang von etwa 800.000 Teilnehmerstunden qualifiziert.

1991 erhöhte sich die Zahl der Lehrgangsteilnehmer auf ca. 500, die Teilnehmerstunden lagen bei 850.000, ein Jahr später bei 813.000.

1993 erfolgte eine neue strategische Ausrichtung. Die Schwerpunkte waren:

  • Ausbau der Märkte mit territoriale Ausdehnung über die sächsischen Landesgrenzen hinaus
  • Intensivierung der Kundenbeziehungen und Kundenneugewinnung
  • Entwicklung neuer Produkte, die stärker am Bedarf der Kunden orientiert waren
  • Kooperation mit der Personalentwicklung der Volkswagen AG
  • Ausdehnung der Geschäftstätigkeit auf Osteuropa und andere internationale Märkte.

Mit dieser Strategie sollte die Dominanz der Arbeitsamtsmaßnahmen allmählich ausgeglichen werden.

Ende 1993 verfügte das Bildungsinstitut an seinen drei Standorten über 800 Ausbildungs- und Weiterbildungsplätze mit modernster technischer Ausstattung.

1994 umfasste das Leistungsangebot etwa 100 Bildungsmaßnahmen in den Bereichen Technik, Wirtschaft, Verwaltung, Management und Sprachen. Zum umfangreichen Kundenkreis gehörten Unternehmen aus Industrie, Handwerk, Handel und Dienstleister sowie die Arbeitsämter an den drei Standorten.

Organigramme und Kennzahlen

Im folgenden Jahr fanden erste Seminare mit internationaler Beteiligung statt. Im Auftrag des Auswärtigen Amtes führte das Volkswagen Bildungsinstitut Managementseminare in Minsk und Zwickau durch. Kooperationspartner war die Private Wirtschafts- und Bildungsakademie in Crimmitschau. Im Jahr 1994 begann die Zusammenarbeit mit der BBJ Consult Chemnitz, die Qualifizierungsmaßnahmen mit einer Finanzierung aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds vergab. Noch im gleichen Jahr starteten sechs ESF-Projekte.

Im Jahr 1994 erfolgten aufgrund politischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingung Sanierungsmaßnahmen, deren Ziel die Konzentration der Arbeitsprozesse und Bündelung von Qualifizierungsaktivitäten an den Standorten war. Es erfolgte die Kündigung der angemieteten Zwickauer Räumlichkeiten in der Dieselstraße, der Leipziger Straße, der Scheffelstraße und im Ebertschlösschen. Trotz erfolgreicher Entwicklung und Perspektive war ein Interessensausgleich notwendigen Ressourcenanpassungen waren die Folge. Ein Teil der befristeten Arbeitsverträge konnte nicht verlängert werden. Zur Verbesserung der finanziellen Situation kam es im 2. Halbjahr 1994 erstmals zur Kurzarbeit für einen Großteil der beschäftigten Mitarbeiter. Die Zahl der Fachbereichsleiter wurde auf drei verringert: Aus- und Weiterbildung, Marketing/Vertrieb sowie Finanz/Controlling.

Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits ausgereifte und strategische Unternehmenspläne, die gesamte Aus- und Weiterbildung in die Sächsische Aufbau- und Qualifizierungsgesellschaft zu überführen. Im Rahmen dieser Umstrukturierung sollte das Volkswagen Bildungsinstitut als sogenannte Bildungsagentur mit drei von 42 Mitarbeitern weiter bestehen. Im letzten Moment konnte die Auflösung des eigentlichen Geschäftsbetriebs verhindert werden.

Wie es dazu kam, erinnert sich der ehemalige Betriebsratsvorsitzende der Volkswagen Bildungsinstitut GmbH, Wolfgang Löscher:

„Aus Sorge und Angst um die Arbeitsplätze der Kollegen und Kolleginnen mussten wir als Betriebsrat aktiv werden. Also fuhren wir, Dr. Matthias Schwarz, Jürgen Haase und ich, nach Wolfsburg. Ziel war das Gespräch mit Dr. Peter Haase, damaliger Fachbeiratsvorsitzender des Bildungsinstituts, zu suchen und anschließend mit Vertretern des Gesamtbetriebsrates über die aktuelle kritische Unternehmenssituation zu sprechen. Nachdem wir unser Anliegen vortrugen, kam es zu einem folgenreichen Telefonat mit der Geschäftsführung in Zwickau. Es fielen Worte wie “Massenentlassungen, Rufschädigung für den Konzern, Verantwortungslosigkeit gegenüber Mitarbeitern, konzernpolitische Fehlentscheidung…”

Als wir das hörten, war uns klar, was sich gerade in der Heimat abspielen würde. Auf der Rückfahrt herrschte im Auto vorerst absolute Stille, jeder reflektierte das Geschehene. Danach stellten wir Szenarien auf, was wir bei unserer Rückkehr alles zu hören bekommen. Zu unserer Überraschung fiel wider Erwarten am nächsten Tag kein Wort über unsere „Dienstreise“. Auch später wurde zwischen der Geschäftsführung und dem Betriebsrat dieser Vorgang nie thematisiert.“

Das Volkswagen Bildungsinstitut führte seine Geschäftstätigkeit souverän fort. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reagierten mit großer Erleichterung. Leistungsbereitschaft und Motivation nahmen spürbar zu.

Kooperation "Weitgereiste Medienvertreter..."