Volkswagen Bildungsinstitut GmbH: Chronik

1990

Gründung

Investition in Wirtschaft und Bildung - der Volkswagen Konzern engagiert sich in Sachsen

1990

Beginn einer Erfolgsgeschichte

Der Beginn des Übergangs von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft wurde in den neuen Bundesländern von einer großen Orientierungslosigkeit begleitet. Zahlreiche Unternehmen besaßen keine wirtschaftliche Perspektive. Viele Berufstätige erlebten erstmals Arbeitslosigkeit bzw. fühlten sich von ihr bedroht. Es war ein historischer Neubeginn.

Die Volkswagen AG gehörte mit ihrem Engagement zu den ersten „Pionieren“ in Sachsen, die den Prozess der wirtschaftlichen Umgestaltung aktiv und erfolgreich unterstützte. Der Leitgedanke „Wir engagieren uns für Sachsen.“ prägte und motivierte eine ganze Region.

Im November 1989 reiste erstmals eine kleine Delegation mit Mitarbeitern des Niedersächsischen Wissenschaftsministeriums, Vertretern der Fachhochschule Braunschweig-Wolfenbüttel und Führungskräften von Volkswagen nach Zwickau. Zu dieser Gruppe gehörte Prof. Dr. Peter Meyer-Dohm (Leiter Bildungswesen der Volkswagen AG, a.D.). 

Im Ebertschlösschen, der ehemaligen Akademie für Führungskräfteausbildung des IFA Kombinats, fand im Januar 1990 ein Arbeitstreffen mit Partnern der Region statt. Diese Begegnung diente dazu, Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu prüfen und Voraussetzungen für ein langfristiges Engagement im Bereich der Aus- und Weiterbildung zu klären.

Arbeitstreffen mit Prof. Dr. Meyer-Dohm (3. v. l.)

Im März 1990 kam es zu einer folgenreichen Begegnung zwischen Regine Hildebrandt, Arbeitsministerin im DDR-Kabinett de Maiziere, und dem damaligen Personalvorstand der Volkswagen AG, Dr. Martin Posth. In diesem Gespräch äußerte die Ministerin die dringende Bitte, dass der Volkswagen Konzern im Zusammenhang mit seinem Unternehmensengagement auch in Bildung investiert. Dem Wunsch wurde entsprochen.

Im Bildungswesen der Volkswagen AG beschloss man, in Zwickau eine eigenständige Bildungseinrichtung zu gründen. Damit beschritt Volkswagen erstmals neue Wege im Bereich Bildung. Dem zu gründenden Bildungsinstitut wurde die Aufgabe zugedacht, als Profit-Center selbstständig erfolgreich am Markt zu agieren.

Im August des ersten Wendejahres erteilte der Vorsitzende des Aufsichtsrates der Volkswagen AG eine Eilfallgenehmigung zur Gründung der Volkswagen Bildungsinstitut GmbH mit Hauptsitz in Zwickau. Am 13. September 1990 erfolgte bereits die Gewerbeanmeldung.

Noch im September starteten in Zwickau erste technische Kurse.

Wolfgang Löscher (Bildmitte vorn),
Trainer im Volkswagen Bildungsinstitut,
mit Teilnehmern

Basierend auf einer Bildungsinitiative wurden parallel Sozialversicherungsfachangestellte qualifiziert. Ein Teil nahm seine Beschäftigung
im Amt für Arbeit auf.

Große Zustimmung und Unterstützung erfuhr die Etablierung des Volkswagen Bildungsinstituts seitens der Stadt Zwickau, insbesondere bei der Findung geeigneter Immobilien. Ebenso erwies sich von Anfang an das Zwickauer Arbeitsamt als wichtiger Partner. Diese gute Zusammenarbeit spiegelte sich bereits in der Gründungsphase wider, denn rund 90% der Ausbildungskapazitäten waren für Arbeitssuchende und Kurzarbeiter vorgesehen.

Alle Vorbereitungen für die Gründung waren Ende des Jahres erfolgreich abgeschlossen. Am 14. Dezember 1990 nahm die Volkswagen Bildungsinstitut GmbH offiziell ihre Geschäftstätigkeit, mit Hauptsitz im „Ebertschlösschen“, auf.

Prof. Dr. Peter Meyer-Dohm erinnerte sich rückwirkend an seinen ersten Besuch in Zwickau nach dem Mauerfall:

“Aller Anfang ist schwer…“ hieß es, als die erste niedersächsische Delegation an der Autobahn-Abfahrt Meerane von einem glotzäugigen Barkas 1000 des IFA-Kombinats abgeholt und zum Ebertschlösschen geleitet wurde. „Wir fuhren durch die endlose und nachtdunkle Leipziger Straße, es war gerade 20.00 Uhr, als ich vorne links das einzige helle Schaufenster sah. Ausgestellt war eine Tischlampe, sonst nichts. Über der Schaufensterscheibe stand „Beleuchtungskörper“. Durch den Spalt des Wagenfensters drang ein Kohlenkellergeruch ins Innere, für den, wie ich später erfuhr, „August Bebel“ verantwortlich war, ein mit Braunkohle befeuertes Kraftwerk. Ich war in der DDR angekommen."

Prof. Dr. Peter Meyer-Dohm versäumte aber nicht 10 Jahre später die „vielen schönen restaurierten und neuen Bauten“ zu erwähnen, die es nun in Zwickau gab. (Quelle: Rede zur Einweihung/10-jährigem Jubiläum von Prof. Dr. Peter Meyer-Dohm, Leiter Bildungswesen der Volkswagen AG, a.D.)

Hohe Anforderungen wurden an die Volkswagen Mitarbeiter gestellt, die für einen zeitlich begrenzten Einsatz nach Sachsen kamen. Den Grundstein legten die Herren Karl Krist und Friedwald Bracht, die Gründungsbeauftragten und späteren Geschäftsführer der Volkswagen Bildungsinstitut GmbH. Weitere Volkswagen Mitarbeiter unterstützten die Geschäftsführung beim Aufbau der Geschäftsfelder Aus- und Weiterbildung, Berufsausbildung und Managementtraining.

Ihr Einsatz erfolgte teilweise schon 1989. Im Bereich Managementtraining waren es die Herren Gundlach und Zingler, die ihren Arbeitsplatz zeitweise nach Zwickau verlegten. Ihre Ansprechpartner fanden sie in Mitarbeitern der IFA-Kombinatsakademie. Sie konzipierten Qualifizierungsmaßnahmen für Führungs- und Führungsnachwuchskräfte, die darauf gerichtet waren, das kooperative Zusammenwirken von Mitarbeitern zu verbessern sowie Vorgesetzte auf die neuen Anforderungen des Führungsverhaltens vorzubereiten.

Ebenso wichtig war es, Qualifizierungskonzepte für die technische Weiterbildung anzubieten. Die Entscheidung der Volkswagen AG zur vorübergehend weiteren Betreibung der Sächsischen Automobilbau GmbH diente dem Ziel, das „Beschäftigungsloch“ in den ehemaligen IFA-Betrieben auszugleichen.

Bis zur Aufnahme der Geschäftstätigkeit der Volkswagen Sachsen GmbH, die Grundsteinlegung erfolgte im September 1990, wurde die Zeit intensiv genutzt, die Mitarbeiter fachlich zu qualifizieren. Das betraf Beschäftigte der Sachsenring Automobilwerke Zwickau GmbH, der Barkas-Werke in Chemnitz und anderer ehemaliger IFA-Betriebe.

Zunehmend musste der Mitarbeiterzuwachs über den freien Arbeitsmarkt, also in Zusammenarbeit mit den Arbeitsämtern gesichert werden. Berufsbegleitende Qualifizierungsmaßnahmen für Fertigungs- und Montagemitarbeiter wurden konzipiert, ebenso erste Fortbildungsqualifizierungen für Arbeitssuchende.

Auch im Jahr 1990 fanden Gespräche zwischen dem Zentralen Bildungswesen der Volkswagen AG und der Leitung des Bildungswesens der Sachsenring Automobilwerke Zwickau GmbH statt, in denen die Übernahme der Ausbildung durch Volkswagen geprüft wurde.

Zu dieser Zeit wurden noch etwa 800 Sachsenring-Auszubildende in 32 Ausbildungsberufen an vier Zwickauer Standorten auf das Berufsleben vorbereitet. 184 Ausbilder, Lehrer und Erzieher leiteten inhaltlich und organisatorisch den Ausbildungsprozess.

Zur Übernahme der Berufsausbildung kam derzeit nicht. Die Ausbildungsstrategie von Volkswagen sah zu diesem Zeitpunkt zwei Berufe für die sächsischen Standorte vor: Industriemechaniker/-innen und Industrieelektroniker/-innen.

Bald hatten die Vorbereitungsarbeiten im Volkswagen Bildungsinstitut einen Stand erreicht,  der es ermöglichte, auf einem gesicherten Know-how Bildungsleistungen mit einem hohen Qualitätsstandard für die Region Westsachsen anzubieten.

Zu Beginn des Jahres 1991 nahm das Institut an den Standorten Zwickau und Chemnitz seine Geschäftstätigkeit auf.

Rückwirkend erinnerte sich Kerstin Roth, Mitarbeiterin der ersten Stunde im Volkswagen Bildungsinstitut, an die Gründungsphase:

„Die Volkswagen Bildungsinstitut GmbH gibt es seit dem 14.12.1990. An diesem 14.12., ein Freitag, begann für mich und meine KollegInnen eine neue Etappe im Leben – zumindest sollte sie schwarz auf weiß besiegelt werden. Wir sollten nämlich im Rahmen einer Feierstunde unsere Arbeitsverträge mit dem Volkswagen Bildungsinstitut bekommen. Was war vorausgegangen?

Im Herbst 1989, ich arbeitete in der Kombinatsakademie des IFA-Kombinates PKW Karl-Marx-Stadt als Planerin für Seminare und Lehrgänge für die Mitarbeiter dieses Kombinates, spürten wir die ersten Auswirkungen der „Wende-Ära“. Angemeldete TeilnehmerInnen für Lehrgänge erschienen nicht in unserer Akademie. Die Mitarbeiter kamen nicht aus ihrem Sommerurlaub zurück. So langsam sickerten die Meldungen durch, dass an der ungarisch/österreichischen Grenze Menschen aus der DDR stehen und in den Westen wollen. Das waren für mich die ersten spürbaren Auflösungserscheinungen der DDR. Es fällt mir nach so langer Zeit relativ schwer, die Gefühle und Empfindungen richtig auszudrücken: Ratlosigkeit, Angst, große Ungewissheit aber auch große Hoffnung, Erwartungen, Freiheitsgefühle… Aber das stetige Gefühl zu dieser Zeit war für mich: hoffentlich geht das alles friedlich aus. Was wird mit meiner Arbeit, meiner Familie, wie wird es meinem Kind gehen, hat das wirklich alles Zukunft?

Relativ schnell, nämlich schon ab Dezember des Jahres gab es auf diese Fragen aber erste gute Antworten. Im Zusammenhang mit den Aktivitäten der Volkswagen AG in Sachsen wurde auch über die Gründung einer Bildungseinrichtung zur Qualifizierung von MitarbeiterInnen für eine Fahrzeugfertigung in Mosel nachgedacht.

Die Kombinatsakademie war schon damals eine gut ausgestattete und moderne Bildungseinrichtung. Hier fanden schon seit 1986 Managementseminare, Fachseminare, sowie Workshops und Assessments für die MitarbeiterInnen des IFA-Kombinates statt. Das Haupthaus (bekannt als Ebertschloss) war aufwendig restauriert, hatte großzügige Seminarräume und eine eigene Gastronomie. Im Nebengebäude war die Unterbringung von Gästen – natürlich auf DDR-Niveau – möglich.

Wir waren also vorbereitet auf Gäste. Groß war dennoch die Aufregung, als im Dezember 1989 die ersten Volkswagen-Limousinen vorfuhren.

Schon im Januar und Februar 1990 startete die Bildungszusammenarbeit des Volkswagen Konzerns mit dem IFA-Kombinat mit 2 Seminaren „Kooperationsseminar für Führungskräfte“ in unserer Akademie. Es hört sich heute so belanglos an – 2 Seminare, was ist das schon Besonderes. Aber für diese geschichtsträchtige deutsch-deutsche Annäherungsphase war es etwas ganz Besonderes.
Im Sommer 1990 kristallisierte sich dann auch für uns 14 MitarbeiterInnen der IFA-Akademie heraus, dass die auf dem Wege einer Eilfallgenehmigung der Volkswagen AG erteilte Genehmigung zur Gründung des Volkswagen Bildungsinstituts ein zu diesem Zeitpunkt nicht zu beschreibender Glücksfall werden könnte.

Mit der Gewerbeanmeldung im September 1990 begann das Volkswagen Bildungsinstitut bereits mit den ersten Lehrgängen in eigener Regie:

  • Umschulungslehrgang „Sozialversicherungsfachangestellter“ im Auftrag des Arbeitsamtes
  • Wochenendseminar „Betriebswirtschaftslehre“ sowie weitere ausgewählte Managementseminare für Teilnehmer der IFA-Betriebe und der Institutionen in der Region
  • ab Oktober technische Lehrgänge wie Hydraulik, Pneumatik, SPS, EDV-Qualifizierungen, etc.

Das bedeutete für uns, es ging tatsächlich weiter. Wir wurden gebraucht und konnten unsere Arbeitskraft und unsere Erfahrungen einbringen und natürlich auch jeden Tag etwas Neues lernen. Wir reichten offiziell unsere Bewerbungen für eine Tätigkeit im Volkswagen Bildungsinstitut ein. Und tatsächlich wurden die 14 „Stamm“mitarbeiterInnen ohne einen Tag Arbeitslosigkeit aus dem alten DDR-Arbeitsverhältnis in ein Beschäftigungsverhältnis mit dem Volkswagen Bildungsinstitut übernommen. Es gab zu diesem Zeitpunkt nicht viele Menschen, die das so erlebten, das war wirklich ein ausgesprochener Glücksfall!

Die gelungene Umsetzung dieser einmaligen Aufgabe verdanken wir einem aufwendigen Gesprächs- und Verhandlungsmarathon der Verantwortlichen der Volkswagen AG, des IFA-Kombinats und der regionalen „Dienststellen“.

Kerstin Roth, VWBI Mitarbeiterin 1990 – 2010, seit 2010 Mitarbeiterin der Volkswagen Sachsen GmbH

Erste Schulungen im Volkswagen Bildungsinstitut